Dienstag, 17. September 2013

Verstand

'Verstand ist das, was ständig, Tag und Nacht ruhelos ist, denkend und ringend, Gott zu begreifen versucht, obwohl dieser unbeschreiblich und unfassbar ist. Der Verstand ist wie eine Motte und der Geliebte wie eine Kerze. Wenn die Motte sich auf die Kerze stürzt, wird sie verzehrt und zerstört; aber das liegt in der Natur der Motte. Wie zerstörerisch die Flamme auch sein mag und wie groß die Qual des Verbrennens – die Motte kann nicht von der Kerze lassen. Gäbe es irgendein Tier wie die Motte, das es ohne die Kerze aushalten könnte und sich nicht in ihr Licht stürzte, so wäre das alles andere, aber keine Motte. Und wenn sich die Motte ins Licht der Kerze stürzen würde, ohne zu verbrennen, so wäre das keine Kerze. Deshalb ist jener Mensch, der es ohne Gott, seinen Geliebten, aushalten kann, den keine Sehnsucht antreibt, überhaupt kein richtiger Mensch. Wenn er aber Gott begreifen könnte, so wäre das nicht Gott. Deshalb sind wahre Liebende nie ohne dieses Streben; sie umkreisen unablässig, ruhelos das Licht Gottes, ihres Geliebten. Und Gott, der Geliebte ist es, der sie verzehrt und zunichte macht und den Schleier ihres Verstandes zerreißt.'
- Maulana J. Rumi

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