Dienstag, 16. Juli 2013

Welcher politische Islam?

Zum Artikel aus der WELT "Der politische Islam bleibt eine Gefahr für alle": http://www.welt.de/politik/deutschland/article117845292/Der-politische-Islam-bleibt-eine-Gefahr-fuer-alle.html


Und schon wieder steht die Religion im Visier und wird für das Unheil der Welt zur Verantwortung gezogen. Wird dieses Urteil auf Grund von barbarischen Aktionen einiger unzurechnungsfähiger Fanatiker gefällt, die gerne dem Islam angehören möchten? Doch da müssen diese Fanatiker leider enttäuscht werden. Denn der Islam lehrt in seinem Konsens Barmherzigkeit und Liebe, und keine Gewalt. Eines muss bemerkt werden: die Tatsache, dass der Islam Liebe und Barmherzigkeit lehrt, müsste doch jeden gesunden Menschenverstand dazu auffordern, solche Menschen nicht mit dem Islam in einen Kontext zu bringen. Hierbei sträuben sich bei tiefgläubigen Muslimen doch sicherlich die Haare.

Wer sind diese Fanatiker überhaupt? Eine dem gegenwärtigen Zeitgeist entsprechende Definition liefert der Psychologe und Psychoanalytiker L. Bolterauer. Er bezeichnet hier den Fanatismus als 'eine überstiegene leidenschaftliche, alle Kräfte, Fähigkeiten, Interessen eines Menschen total aktivierende und kaptivierende >monomane< Hingabe an eine sittliche Gemeinschaftsaufgabe, wobei im Bestreben, dieses Ziel uneingeschränkt (>radikal<) zu verwirklichen, keine Rücksicht auf andere Pflichten genommen wird und zur Bekämpfung der Gegner bei subjektiv gutem Gewissen alle Kampfmittel, auch sittlich verwerfliche, rücksichtslos eingesetzt werden.'[1]

Demnach sind dies Menschen, die sich mit einer überstiegenen Leidenschaft und ohne Rücksichtnahme auf andere Pflichten, einer Sache, in diesem Fall dem Islam, hingeben. Sie interpretieren Stellen so wie es ihnen gerade passt, und geben dies so an ahnungslose Menschen weiter, die nicht in der Lage sind, dies zu hinterfragen.
Wie dem auch sei, begehen Frau Kelek und Frau Maron in dem Interview mit der WELT einen drastischen Fehler, indem sie einen Eintopf aus Religion, Politik und der, in diesem Fall türkischen Kultur unter einer gewaltigen Hitze abbrühen lassen.
Mag sein, dass die Integration (wobei dieser Begriff auch nicht unbedingt eindeutig ist) mancher Menschen scheitert, doch dies kann keinesfalls mit der Zugehörigkeit zum Islam legitimiert werden.
Als würde es im Islam eine Vorschrift geben, die besagt, sich niemals in einem Land zu integrieren, und ja in einer 'Parallelgesellschaft' zu leben. Im Gegenteil: der Prophet Muhammad (Friede und Segnungen Allahs seien auf Ihm) sagte sogar, dass die Liebe zum Land ein Teil des Glaubens ist.
Und dieser Liebe sollte Ausdruck gegeben werden, indem man sich sinnvoll in der Gesellschaft beteiligt. Mit sinnvoller Beteiligung ist sicherlich keine Teilhabe an penetranten Alkoholorgien oder Diskothekenbesuchen gemeint, sondern vielmehr Beiträge, die zum gesellschaftlichen Frieden verhelfen. Doch dies sei mal so dahingestellt.
Dann sagt Frau Kelek, sie bilde sich ihre Meinung eben nicht nur theoretisch, sondern aus Anschauungen vor Ort und Gesprächen mit Menschen. Hier stellt sich die Frage, mit welchen Menschen spricht sie hier?
Sicherlich sind dies Menschen, die den Islam lediglich als Trademarke mit sich tragen. Die Erkenntnisse, die Frau Kelek nach diesen Gesprächen erworben hat, verdeutlichen, dass diese Gesprächspartner sich niemals mit dem wahren Sinn des Islam beschäftigt haben können.  Der Islam hat niemals die Absicht, die Religion über die Verfassung zu stellen, wie Frau Kelek behauptet. Warum auch? Der Islam ist eine Religion, in dem der spirituelle Fortschritt des Menschen, und nicht irgendein politisches Gefecht, im Zentrum steht.

Es ist amüsant anzusehen, wie sich Islamkritiker beliebige, aus dem Kontext gerissene Koranstellen aussuchen, um ihre Thesen zu bestärken. Nicht der Islam, den es bedauerlicherweise als Einheit nicht gibt, sondern die einzelnen Menschen sollten hier zur Verantwortung gezogen werden. Diese Menschen missbrauchen die islamische Lehre, um eigene Anschauungen durchzusetzen. Beschäftigt man sich tatsächlich mit dem Islam, so ist zu erkennen, dass dieser von einer unendlichen Barmherzigkeit erfüllt ist. Da die Politik niemals barmherzig war, und es auch nicht sein wird, sollte dieser Begriff nicht mit dem Islam in Verbindung gebracht werden.




[1] siehe Hole, G. (2004): Fanatismus. Der Drang zum Extrem und seine psychischen Wurzeln, S.42

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